Verfassungsurkunde für das Königreich Sachsen vom 4. September 1831
Wir, Anton, von Gottes Gnaden König von Sachsen etc. etc. etc. und Friedrich August,
Herzog zu Sachsen, etc. thun hiermit kund, daß Wir, infolge der von Unsern getreuen Ständen
wiederholt ausgesprochenen Wünsche und mit Rücksicht auf die in anderen Staaten des
Deutschen Bundes bereits getroffenen und durch die Erfahrung bewährt gefundenen
Bestimmungen die Verfassung Unserer Lande mit Beirath und Zustimmung der Stände in
nachfolgender Maße geordnet haben.
I. Von dem Königreiche und dessen Regierung im Allgemeinen
§ 1. Das Königreich Sachsen ist ein unter Einer Verfassung vereinigter, untheilbarer Staat
(des Deutschen Bundes).
§ 2. Kein Bestandtheil des Königreichs oder Recht der Korne kann ohne Zustimmung der
Stände auf irgend eine Weise veräußert werden. Grenzberichtigungen mit benachbarten
Saaten sind hierunter nicht begriffen, wenn nicht dabei Unterthanen abgetreten werden,
welche unzweifelhaft zu dem Königreiche gehört haben.
§ 3. Die Regierungsform ist monarchisch, und es besteht dabei eine landständische
Verfassung.
§ 4. Der König ist das souveraine Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der
Staatsgewalt und übt sie unter den durch die Verfassung festgesetzten Bestimmungen aus.
Seine Person ist heilig und unverletzlich.
§ 5. Der König kann, ohne Zustimmung der Stände, weder zugleich Oberhaupt eines andern
Staats werden, Erbanfälle ausgenommen, noch seinen wesentlichen Aufenthalt außerhalb des
Landes nehmen.
§ 6. Die Krone ist erblich in dem Mannsstamme des Sächsischen Fürstenhauses nach dem
Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge, vermöge Abstammung aus
ebenbürtiger Ehe.
§ 7. In Ermangelung eines durch Verwandtschaft oder Erbverbrüderung zur Nachfolge
berechtigten Prinzen geht die Krone auf eine aus ebenbürtiger Ehe abstammende weibliche
Linie ohne Unterschied des Geschlechts über. Hierbei entscheidet die Nähe der
Verwandtschaft mit dem zuletzt regierenden Könige, bei gleicher Nähe das Alter der Linie,
und in selbiger das Alter der Person. Nach dem Uibergange gilt wieder der Vorzug des
Mannstamms in der Primogenitur-Ordnung.
§ 8. Der König wird volljährig, sobald er das achtzehnte Jahr zurückgelegt hat.
§ 9. Eine Regierungsverwesung tritt ein während der Minderjährigkeit des Königs, oder wenn
derselbe an der Ausübung der Regierung auf längere Zeit verhindert ist und für die
Verwaltung des Landes nicht selbst Vorsorge getroffenen hat oder treffen kann. In beiden
Fällen wird die Regierungsverwesung von dem der Thronfolge nächsten volljährigen Agnaten
geführt. Sie besteht nur auf solange, als der König an der Ausübung der Regierung behindert
ist, und deren Eintritt und Schluß wird gesetzlich bekannt gemacht.
§ 10. Sollte sich bei einem zunächst nach dem Könige zur Thronfolge bestimmten
Familiengliede ein Hinderniß zeigen, welches demselben die eigene Verwaltung des Landes
unmöglich machen würde, so ist noch unter der Regierung des Königs durch ein Staatsgesetz
über den künftigen Eintritt der Regierungsverwesung zu entscheiden.
§ 11. Würde der König während seiner Regierung oder bei dem Anfalle der Thronfolge durch
eine solches Hinderniß von der eigenen Verwaltung des Landes abgehalten seyn, ohne dass
früher die obenbestimmte Verfügung getroffen wäre, so soll längstens binnen sechs Monaten
in einer von der obersten Staatsbehörde (§ 41) zu veranlassenden Versammlung sämmtlicher
im Königreiche anwesenden nach zurückgelegtem ein und zwanzigsten Jahre volljährigen
Prinzen des Königlichen Hauses, mit Ausschlusse des zunächst zur Regentschaft berufenen
Agnaten, auf vorgängiges Gutachten jener Behörde, über den Eintritt der
Regierungsverwesung nach absoluter Stimmenmehrheit ein Beschluß gefasst, und solcher den
versammelten oder außerordentlich zusammen zu berufenden Ständen zur Genehmigung
vorgelegt werden. Sind nicht mindestens drei königliche Prinzen zur Fassung eines
diesfallsigen Beschlusses gegenwärtig, so werden die den Jahren nach ältesten regierenden
Häupter der Ernestinischen Linie bis zur Erfüllung dieser Zahl zu der Versammlung
eingeladen.
§ 12. Der Regierungsverweser übt die Staatsgewalt in dem Umfange, wie sie dem Könige
zusteht, unter dessen Namen verfassungsmäßig aus. Veränderungen in der Verfassung dürfen
von dem Regierungsverweser weder in Antrag gebracht noch, wenn sie von den Ständen
beantragt worden, genehmigt werden, als wenn solches von ihm unter Beirath des nach § 11
constituirten Familienraths und in Folge eines in der daselbst vorgeschriebenen Maße
gefassten Beschlusses geschieht. Dergleichen Veränderungen erhalten aber sodann bleibende
Gültigkeit.
§ 13. Der Regierungsverweser hat, insofern er nicht ein auswärtiger Regent ist, seinen
wesentlichen Aufenthalt im Lande zu nehmen. Der Aufwand desselben wird von der
Civilliste (§ 22) bestritten.
§ 14. Die oberste Staatsbehörde (§ 41) bildet den Regentschaftsrath des Regierungsverwesers,
und dieser ist verbunden, in allen wichtigen Angelegenheiten das Gutachten derselben
einzuholen.
§ 15. In Ermangelung einer von dem Könige getroffenen Abordnung gebührt die Erziehung
des minderjährigen Königs der Mutter, und wenn diese nicht mehr lebt, oder sich anderweit
vermählt, der Großmutter von väterlicher Seite; jedoch kann die Ernennung der Erzieher und
Lehrer und die Festsetzung des Erziehungsplans nur nach Rücksprache mit dem
Regierungsverweser mit dem Regentschaftsrathe geschehen. Bei einer Verschiedenheit der
Ansichten hat der Regierungsverweser mit dem Regentschaftsrathe die Entscheidung; auch
liegt diesem nach dem Absterben oder der anderweiten Vermählung der Mutter oder der
Großmutter die Sorge für die Erziehung des minderjährigen Königs allein ob. Die
diesfallsigen Berathungen des Regentschaftsraths werden unter dem Vorsitze des
Regierungsverwesers gepflogen, welcher bei dem zu fassenden Beschlusse nur eine Stimme,
jedoch, im Falle der Stimmengleichheit, die Entscheidung hat.
II. Von dem Staatsgute, so wie von dem Vermögen und den Gebührnissen des
Königlichen Hauses
§ 16. Das Staatsgut besteht, als eine einzige untheilbare Gesamtmasse, aus dem, was die
Krone an Territorien, Aemtern, Kammergütern, Domainen, den dazu gehörigen Fluren,
Gebäuden und Inventarien, Grundstücken, Forsten und Mühlen, Berg- und Hüttenwerken,
Kuxen, Regalien, Amtskapitalien, Einkünften, nutzbaren Rechten, öffentlichen Anstalten,
Beständen, Außenständen und Vorräthen jeder Art und sonst besitzt und erwirbt, und es geht
dasselbe in seinem ganzen Umfange auf den jedesmaligen Thronfolger über. Neben
demselben besteht das Fideicommiß des Königlichen Hauses. Von beiden ist das
Privatvermögen des Königs und der Königlichen Familie zu unterscheiden.
§ 17. Das Staatsgut wird durch eine den Grundsätzen der Verfassung gemäß constituirte
Finanzbehörde verwaltet und lediglich zu Zwecken des Staats benutzt Sein Ertrag bleibt den
Staatscassen überlassen. Uibrigens ist dem Könige unbenommen, eine oder die andere
Domaine, gegen Abzug einer nach dem Durchschnitts-Ertrage der letzten zehn Jahre
bestimmten Summe der Civilliste (§ 22), auf Lebenszeit zu eigener Verwaltung und
Benutzung zu übernehmen; auch bleiben die in der Beilage I verzeichneten Schlösser, Paläste,
Hofgebäude, Gärten und Räume zu der freien Benutzung des Königs. So lange der
Lehnsverband zwischen dem Könige, als Oberlehnsherrn, und seinen Vasallen noch besteht,
wachsen die heimfallenden Lehen dem Staatsgute zu; es bleibt aber dem Könige das Recht,
Erbverwandelungen zu bewilligen, Lehnspardon zu ertheilen, auch alle andere aus der
Oberlehnsherrlichkeit fließende Befugnisse auszuüben. Lehnsanwartschaften werden jedoch
nicht ertheilt werden.
§ 18. Das Staatsgut ist stets in seinen wesentlichen Bestandtheilen zu erhalten, und kann daher
ohne Einwilligung der Stände weder durch Veräußerungen vermindert, noch mit Schulden
oder anderen Lasten beschwert werden. Unter dem Veräußerungsverbote sind jedoch
diejenigen Veränderungen nicht begriffen, welche bei einzelnen Parcellen zu Beförderung der
Landescultur oder zu Entfernung wahrgenommener Nachtheile, durch Verkauf, Austausch
oder Ablösung, so wie in Folge eines gerichtlichen Urtheils, oder zu Berichtigung
zweifelhafter Gränzen, nöthig oder gut befunden werden sollten. Die Kaufgelder sind, sobald
sich eine vorteilhafte Gelegenheit findet, zu Erwebung inländischen Grundeigenthums
anzuwenden, inzwischen aber auf eine andere zweckmäßige Weise werbend anzulegen.
Was durch eine solche Veräußerung an Grundeigenthum, Rechten, Einkünften oder
Kaufgeldern erlangt wird, nimmt die Eigenschaften des veräußerten Gegenstandes an und tritt
an dessen Stelle. Den Ständen ist bei jedem ordentlichen Landtage (§ 115) nachzuweisen, was
seit dem letztvorherigen vom Staatsgute veräußert, warum die Veräußerung bewirkt, was
dabei erlangt und in welcher Maße das erlangte Kaufgeld vorschriftmäßig angewendet
worden sei.
§ 19. Alle Bestände, Forderungen und Ansprüche des Königlichen Fiscus gehen auf die
allgemeinen Staatscassen über. Dagegen werden die auf ersterem haftenden Schulden und
Ansprüche aller Art von letztern zu alleiniger Vertretung übernommen. Die Rechte der
Gläubiger bleiben unverletzt.
§ 20. Das Königliche Hausfideicommiß besteht:
a) aus allem dem, was zu der Einrichtung oder Zierde der in der Beilage unter I verzeichneten
Königlichen Schlösser, Paläste, Hofgebäude und Gärten dient, dem Mobiliar, welches der
Aufsicht der Hofämter und Hofintendanten anvertraut und zum Bedarfe oder Glanze des Hofs
bestimmt ist, den Ställen, an Pferden, Wagen und sonstigem Inventario, den
Jagderfordernissen, den in dem grünen Gewölbe und andern königlichen Sammlungen
befindlichen Kostbarkeiten, Gold- und Silbergeräthen und Porcellanen, der Gemäldegalerie,
den Kupferstich-, Naturalien-, Münz- und andern Kabinetten, der Bibliothek, der Kunst-,
Rüst- und Gewehrkammer.
Demselben wächst
b) alles dasjenige zu, was der König während seiner Regierung aus irgend einem
Privatrechtstitel oder durch Ersparnisse an der Civilliste erworben, und worüber derselbe
unter den Lebenden nicht disponirt, ingleichen dasjenige Vermögen, welches der König vor
seiner Gelangung zum Throne besessen, so wie das was er mit diesem Vermögen nachher
erworben hat, insofern von ihm über dieses Vermögen weder unter den Lebenden, noch auf
den Todesfall verfügt worden ist.
Dasselbe ist Eigenthum des Königlichen Hauses, dessen Besitz geht aber nach der §§ 6 und 7
für die Krone bestimmten Successionsordnung und sonst auf den jedesmaligen rechtmäßigen
Regenten des Königreichs Sachsen über. Dasselbe ist von dem Lande unzertrennbar und
unveräußerlich. Unter dem Veräußerungsverbote sind jedoch diejenigen Veränderungen nicht
begriffen, welche durch Verkauf oder Austausch einzelner Gegenstände für gut befunden
werden sollten. Was durch Veräußerungen an Gegenständen oder Kaufgeldern erlangt wird,
nimmt die Eigenschaft des veräußerten Gegenstandes an und tritt an dessen Stelle. Die
Kaufgelder sind, sobald sich eine vorteilhafte Gelegenheit findet, zu Vermehrung des
Hausfideicommisses anzuwenden. Auch steht dem jedesmaligen Regenten lediglich unter
Zustimmung der Stände das Befugniß zu, die zu demselben gehörigen Kostbarkeiten bis zur
Höhe einer Millionen Thaler in außerordentlichen Nothfällen zu Staatszwecken zu
verpfänden. Es ist jedoch der verpfändete Theil desselben, sobald als möglich, wieder
einzulösen. Nur in den § 105 erwähnten außerordentlichen dringenden Fällen, wo die
Einberufung der Stände durch die Umstände unmöglich gemacht wird, kann eine
Verpfändung desselben vom Könige unter Verantwortlichkeit der ihn hierbei berathenden
Minister auch ohne Zustimmung der Stände verfügt werden, und es treten alsdann die
Bestimmungen des gedachten Paragraphen in Kraft.
§ 21. Privateigenthum des Königs ist alles dasjenige, was derselbe vor der Gelangung zum
Throne bereits besessen hat und mit diesem Vermögen ferner erwirbt; es steht ihm darüber die
freie Disposition unter den Lebendigen und auf den Todesfall zu. Hat der König über dieses
Vermögen nicht disponirt, so wächst dasselbe bei seinem Ableben dem Hausfideicommisse
zu. Uiber dasjenige Vermögen, was der König sonst während seiner Regierung aus irgend
einem Privatrechtstitel oder Ersparnisse an der Civilliste erwirbt, steht demselben die freie
Disposition unter den Lebenden zu, bei seinem Ableben aber fällt es ebenfalls dem
Hausfideicommisse anheim.
§ 22. Der König bezieht jährlich eine mit den Ständen auf die Dauer seiner Regierung
verabschiedete Summe aus den Staatscassen als Civilliste zu seiner freien Disposition in
monatlichen Raten im Voraus zahlbar. Diese Summe ist als Aequivalent für die den
Staatscassen auf die jedesmalige Dauer der Regierungszeit des Königs überwiesenen
Nutzungen des Königlichen Domainengutes zu betrachten, und kann während der
Regierungszeit des Königs weder ohne dessen Zustimmung vermindert, noch ohne die
Bewilligung der Stände vermehrt, auch als wesentliches Bedürfniß zu Erhaltung der Würde
der Krone zu keiner Zeit und auf keine Weise mit Schulden belastet werden.
Diese Nutzungen sollen auch den Staatscassen so lange überwiesen bleiben, als eine Civilliste
bewilligt wird, welche der jetzt mit Fünfmalhundert Tausend Thalern verabschiedeten an
Höhe wenigstens gleich kommt. Die Civilliste des mit Tode abgegangenen Königs besteht
fort, bis die seines Nachfolgers verabschiedet ist, jedoch längstens nur bis zur Vereinigung
über ein neues Budget. Von selbiger werden bestritten: die Chatullengelder des Königs uns
seiner Gemahlinn, die Unterhaltungs- und Erziehungskosten seiner Kinder, die Gehalte aller
Königlichen Hofbeamten und Diener, die künftig auszusetzenden Pensionen derselben, so wie
ihrer Witwen und Kinder, der gesammte Aufwand für die Hofhaltung, den Stall, die Hofjagd
und die dazu gehörigen Inventarien, den katholischen und evangelischen Hofgottesdienst, für
letztern nach der Höhe des zeitherigen Beitrags, die Hofkapelle und Hoftheater, die
Unterhaltungskosten der nach § 17 dem Könige zur freien Benutzung bleibenden Schlösser,
Paläste, Hofgebäude und Gärten, endlich alle hier nicht erwähnte ordentliche oder
außerordentliche Hofausgaben, deren Bestreitung nicht ausdrücklich auf das Staatsbudget
gewiesen ist.
§ 23. Die den dermaligen Gliedern des Königlichen Hauses ausgesetzten Apanagen,
Witthümer und andern vertragsmäßigen Gebührnisse, Hand- und Garderobengelder bleiben,
unter Beobachtung der wegen der Secundogenitur bestehenden Bestimmungen auf deren
Lebenszeit unverändert und werden in das Budget aufgenommen. Uiber die künftig unter
Anrechnung der Secundogenitur zu gewährenden Apanagen, Witthümer, Heirathsgüter und
andere dergleichen Gebührnisse ist mit den Ständen eine feststehende Bestimmung zu
verabschieden, welcher nachmals in jedem einzelnen Falle nachzugehen ist, und welche in
das Hausgesetz aufgenommen werden soll. Ohne Einwilligung der Stände können diese
Gebührnisse nicht verändert und nie durch Uiberweisung von Grundstücken zur Benutzung
gewährt werden. Die Entrichtung derselben erfolgt aus den Staatscassen ohne Zurechnung auf
die Civilliste.
III. Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Unterthanen
§ 24. Der Aufenthalt innerhalb der Grenzen des Staats verpflichtet zu Beobachtung der
Gesetze desselben und begründet dagegen den gesetzlichen Schutz.
§ 25. Die Bestimmungen über das Heimathsrecht und Staatsbürgerrecht bleiben einem
besondern Gesetze vorbehalten.
§ 26. Die Rechte der Landeseinwohner stehen für alle in gleicher Maße unter dem Schutze der
Verfassung.
§ 27. Die Freiheit der Personen und die Gebahrung mit dem Eigenthume sind keiner
Beschränkung unterworfen, als welche Gesetz und Recht vorschreiben.
§ 28. Jeder ist daher berechtigt, seinen Beruf und sein Gewerbe nach eigener Neigung zu
wählen und sich dazu im In- oder Auslande auszubilden, soweit nicht hierbei ausdrückliche
Gesetze oder Privatrechte beschränkend entgegenstehen.
§ 29. Jedem Unterthan steht der Wegzug aus dem Lande ohne Erlegung einer Nachsteuer frei,
soweit nicht die Verpflichtung zum Kriegsdienste oder sonst Verbindlichkeiten gegen den
Staat oder Privatpersonen entgegenstehen.
§ 30. Die Verpflichtung zu Vertheidigung des Vaterlandes und die Verbindlichkeit zum
Waffendienste ist allgemein; es finden dabei keine andern, als die durch die Gesetze
bestimmten Ausnahmen Statt.
§ 31. Niemand kann gezwungen werden, sein Eigenthum oder sonstige Rechte und
Gerechtigkeiten zu Staatszwecken abzutreten, als in den gesetzlich bestimmten oder durch
dringende Nothwendigkeit gebotenen, von der obersten Staatsbehörde zu bestimmenden
Fällen und gegen Entschädigung, welche ohne Anstand ermittelt und gewährt werden soll.
Entsteht ein Streit über die Summe der Entschädigung, und der Eigenthümer oder der
Berechtigte will sich bei der Entscheidung der Verwaltungsbehörde nicht beruhigen, so bleibt
ihm unbenommen, die Sache im ordentlichen Rechtswege zur Erledigung zu bringen; es ist
aber einstweilen die Abtretung zu bewirken und die von jener Behörde festgesetzte Summe
ohne Verzug zu bezahlen.
§ 32. Jedem Landeseinwohner wird völlige Gewissensfreiheit und in der bisherigen oder der
künftig gesetzlich festzusetzenden Maße Schutz in der Gottesverehrung seines Glaubens
gewährt.
§ 33. Die Mitglieder der im Königreiche aufgenommenen christlichen Kirchengesellschaften
genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte. Alle andere Glaubensgenossen haben an
den staatsbürgerlichen Rechten nur in der Maße einen Antheil, wie ihnen derselbe vermöge
besonderer Gesetze zukommt.
§ 34. Die Verschiedenheit des Standes und der Geburt begründet keinen Unterschied in der
Berufung zu irgend einer Stelle im Staatsdienste.
§ 35. Die Angelegenheiten der Presse und des Buchhandels werden durch ein Gesetz geordnet
werden, welches die Freiheit derselben, unter Berücksichtigung der (Vorschriften der
Bundesgesetze und der) Sicherung gegen Missbrauch, als Grundsatz feststellen wird.
§ 36. Jeder hat das Recht, über gesetz- oder ordnungswidriges Verfahren einer Behörde, oder
Verzögerung der Entscheidung, bei der zunächst vorgesetzten, schriftliche Beschwerde zu
führen. Wird selbige von der vorgesetzte Behörde ungegründet gefunden, so ist diese
verpflichtet, den Beschwerdeführer über die Gründe ihres Urtheils zu belehren. Glaubt
derselbe, sich auch bei der Entscheidung der obersten Staatsbehörde nicht beruhigen zu
können, so darf er die Beschwerde den Ständen mit der Bitte um Verwendung schriftlich
vortragen, welche dann zu beurtheilen haben, ob die Sache geeignet sei, von ihnen am Throne
bevorwortet zu werden. Uibrigens bleibt auch Jedem unbenommen, seine Wünsche und
Beschwerden bei dem Regenten unmittelbar anzubringen.
§ 37. Kein Unterthan soll mit Abgaben oder andern Leistungen beschwert werden, wozu er
nicht vermöge der Gesetze oder Kraft besonderer Rechtstitel verbunden ist.
§ 38. Alle Unterthanen haben zu den Staatslasten beizutragen.
§ 39. Es soll ein neues Abgabensystem festgestellt werden, wobei die Gegenstände der
directen und indirecten Besteuerung nach möglichst richtigem Verhältnisse werden zur
Mitleidenheit gezogen werden. Die bisher bestandenen Realbefreiungen sollen, gegen
angemessene Entschädigung, deren Modalität unter Vernehmung mit den Ständen durch die
künftige Gesetzgebung näher zu bestimmen ist, aufgehoben werden.
§ 40. Neue bleibende Befreiungen von Staatslasten können in keiner Weise vergünstigt oder
erworben werden.
IV. Von dem Staatsdienste
§ 41. Es bestehen die Ministerial-Departements der Justiz, der Finanzen, des Innern, des
Krieges, des Cultus und der auswärtigen Angelegenheiten, deren Vorstände den Ständen
verantwortlich sind. Diese Vorstände bilden das Gesammt-Ministerium, als die oberste
collegiale Staatsbehörde. Auf den Vorstand des Ministerii des Cultus, welcher stets der
evangelischen Confession zugethan seyn muß, in Gemeinschaft mit wenigstens zwei andern
Mitgliedern des Gesammt-Ministerii derselben Confession, geht der bisherige Auftrag in
Evangelicis über. Zu seinem Wirkungskreis gehören die § 57 bezeichneten Angelegenheiten
aller Confessionen. Es kann ein Staatsrath gebildet werden, zu welchem außer den
Vorständen der Ministerial-Departements, diejenigen Personen gezogen werden, welche der
König geeignet findet.
§ 42. Alle Staatsdiener sind für ihre Dienstleistung verantwortlich.
§ 43. Alle Verfügungen in Regierungsangelegenheiten, welche der König unterzeichnet,
müssen von dem Vorstande eines Ministerial-Departements, welcher bei der Beschlussnahme
wirksam gewesen ist, in der Reinschrift, zum Zeichen seiner Verantwortlichkeit für die
Zweckmäßigkeit und Uibereinstimmung derselben mit den Gesetzen und der Verfassung des
Landes, contrasignirt werden. Eine solche mit der erforderlichen Contrasignatur nicht
bezeichnete Verfügung ist als erschlichen zu betrachten und daher unverbindlich.
§ 44. Die Verhältnisse der Staatsdiener, worunter jedoch der Hofdienst nicht mit begriffen ist,
sollen durch ein besonderes Gesetz näher bestimmt werden, in welchem vorzüglich die
nöthige Unabhängigkeit des Richteramts berücksichtigt werden wird.
V. Von der Rechtspflege
§ 45. Die Gerichtsbarkeit wird in einer gesetzlich bestimmten Instanzenordnung verwaltet.
§ 46. Alle Gerichtsstellen haben ihren Entscheidungen Gründe beizufügen.
§ 47. Sie sind bei Ausübung ihres richterlichen Amtes innerhalb der Grenzen ihrer Competenz
von dem Einflusse der Regierung unabhängig. Uiber Competenzzweifel zwischen den Justiz-
und Verwaltungsbehörden entscheidet in letzter Instanz eine besondere Behörde, deren
Organisation durch ein Gesetz bestimmt wird, und deren Mitglieder zur Hälfte aus Räthen des
obersten Justizhofes bestehen müssen.
§ 48. Kein Untherthan darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden, außer in den von
den Gesetzen vorausbestimmten Fällen.
§ 49. Jedem, der sich durch einen Act der Staatsverwaltung in seinen Rechten verletzt glaubt,
steht der Rechtsweg offen. Ein besonderes Gesetz wird die nöthigen Ausnahmen und
Bestimmungen treffen, damit durch die Ausübung dieses Befugnisses der freie Fortgang der
Verwaltung nicht gehemmt werde.
§ 50. Der Fiscus nimmt in allen ihn betreffenden Rechtsstreitigkeiten Recht vor den
ordentlichen Landesgerichten.
§ 51. Niemand darf ohne gesetzlichen Grund verfolgt, verhaftet, oder bestraft und über vier
und zwanzig Stunden über die Ursache seiner Verhaftung in Ungewissheit gelassen werden.
§ 52. Der König hat in strafrechtlichen Fällen das Recht der Abolition, so wie der
Verwandlung, Minderung oder des Erlasses der Strafe, kann aber zuerkannte Strafen nicht
schärfen.
§ 53. Die Confiscation kann künftig nur bei einzelnen Sachen, welche als Gegenstand oder
Werkzeug einer Vergehung gedient haben, Statt finden. Eine allgemeine
Vermögensconfiscation tritt in keinem Falle ein.
§ 54. Moratorien dürfen von Staats wegen nicht ertheilt werden.
§ 55. Die Rechtspflege wird auf eine der Gleichheit vor dem Gesetze entsprechende Weise in
der Maße eingerichtet werden, daß die privilegirten Gerichtsstände aufhören, soweit nicht
einzelne auf Verträgen oder besondern Verhältnissen beruhende Ausnahmen noch ferner
nothwendig bleiben. Die nähern Bestimmungen hierüber werden durch ein Gesetz getroffen
werden.
VI. Von den Kirchen, Unterrichtsanstalten und milden Stiftungen
§ 56. Nur den im Königreiche aufgenommenen oder künftig mittelst besondern Gesetzes
aufzunehmenden christlichen Confessionen steht die freie öffentliche Religionsübung zu. Es
dürfen weder neue Klöster errichtet, noch Jesuiten oder irgend ein anderer geistlicher Orden
jemals im Landes aufgenommen werden.
§ 57. Der König übt die Staatsgewalt über die Kirchen (jus circa sacra), die Aufsicht und das
Schutzrecht über dieselben nach den diesfallsigen gesetzlichen Bestimmungen aus, und es
sind daher namentlich auch die geistlichen Behörden aller Confessionen der Oberaufsicht des
Ministeriums des Cultus untergeordnet. Die Anordnungen im Betreff der innern kirchlichen
Angelegenheiten bleiben der besondern Kirchenverfassung einer jeden Confession
überlassen. Insbesondere wird die landesherrliche Kirchengewalt (jus episcopale) über die
evangelischen Glaubensgenossen, so lange der König einer andern Confession zugethan ist,
von der § 41 bezeichneten Ministerialbehörde ferner in der zeitherigen Maße ausgeübt.
§ 58. Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen Gewalt können auch bis zu der obersten
weltlichen Staatsbehörde gebracht werden.
§ 59. Die Kirchen und Schulen und deren Diener sind in ihren bürgerlichen Beziehungen und
Handlungen den Gesetzen des Staates unterworfen.
§ 60. Alle Stiftungen ohne Ausnahme, sie mögen für den Cultus, den Unterricht oder die
Wohlthätigkeit bestimmt seyn, stehen unter dem besondern Schutze des Staats, und das
Vermögen oder Einkommen derselben darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen
eingezogen oder für andere als die stiftungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Nur in dem
Falle, wo der stiftungsmäßige Zweck nicht mehr zu erreichen steht, darf eine Verwendung zu
andern ähnlichen Zwecken mit Zustimmung der Betheiligten und, in sofern allgemeine
Landesanstalten in Betracht kommen, mit Bewilligung der Stände erfolgen.
VII. Von den Ständen
1. Organisation der Ständeversammlung
§ 61. Für das ganze Königreich Sachsen besteht eine allgemeine, in zwei Kammern
abgetheilte Ständeversammlung. Neben selbiger wird die besondere Provinzial-
Landtagsverfassung in der Oberlausitz und die Kreistagsverfassung in den alten Erblanden,
vorbehältlich der in Rücksicht beider nöthig werdenden Modificationen noch ferner
fortbestehen.
§ 62. Beide Kammern sind in Ihren Rechten und Befugnissen einander gleich. Zeit und Ort
der Sitzungen beider sind jederzeit dieselben.
§ 63. Zu der ersten Kammer gehörten folgende Mitglieder:
1. die volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses;
2. das Hochstift Meißen durch einen Deputirten seines Mittels;
3. die Besitzer der Herrschaft Wildenfels;
4. der Besitzer der fünf schönburgischen Receßherrschaften, Glaucha, Waldenburg,
Lichtenstein, Hartenstein und Stein, durch einen ihres Mittels;
5. ein Abgeordneter der Universität Leipzig, welcher von selbiger aus dem Mittel ihrer
ordentlichen Professoren gewählt wird;
6. der Besitzer der Standesherrschaft Königsbrück;
7. der Besitzer der Standesherrschaft Reibersdorf;
8. der evangelische Oberhofprediger;
9. der Decan des Domstifts St. Petri zu Budissin, zugleich in seiner Eigenschaft als höherer
katholischer Geistlicher, und im Falle der Behinderung oder der Erledigung der Stelle, einer
der drei Capitularen des Stifts;
10. der Superintendent zu Leipzig;
11. ein Abgeordneter des Collegiatstifts zu Wurzen, aus dem Mittel des Capitels;
12. die Besitzer der vier schönburgischen Lehnsherrschaften, Rochsburg, Wechselburg, Penig
und Remissen, durch einen ihres Mittels;
13. zwölf auf Lebenszeit gewählte Abgeordnete der Rittergutsbesitzer;
14. zehn vom Könige nah freier Wahl auf Lebenszeit ernannte Rittergutsbesitzer;
15. die erste Magistratsperson der Städte Dresden und Leipzig;
16. die erste Magistratsperson in sechs vom Könige, unter möglichster Berücksichtigung aller
Theile des Landes nach Gefallen zu bestimmenden Städten.
§ 64. Für die § 63 unter 3, 4, 6, 7 und 12 benannten Besitzer der Herrschaften kann im Falle
der Minderjährigkeit oder wenn sie aus Ursachen, welche die Kammer als statthaft anerkennt,
an dem Landtage persönlich Theil zu nehmen nicht vermögen, derjenige nächste Nachfolger
in die Kammer eintreten, welcher nach § 74 für die Person dazu geeignet ist. Den Besitzern
der Herrschaft Wildenfels und der schönburgischen Receßherrschaften ist jederzeit
nachgelassen, wegen ihrer erblichen Stimmen Bevollmächtigte in die Kammer eintreten zu
lassen, welche die nach § 74 erforderlichen Eigenschaften haben, und im Königreiche
Sachsen mit einem Rittergute angesessen sind.
§ 65. Die zwölf Abgeordneten der Rittergutsbesitzer werden in Kreis- und Oberlausitzer-
Provinzial-Versammlungen gewählt. An der Wahl nimmt jeder Besitzer eines der im
Wahlgesetze für stimmberechtigt erklärten Rittergüter Theil. Sie wird nach den
Bestimmungen des Wahlgesetzes bewirkt. Wählbar sind nur diejenigen Rittergutsbesitzer,
deren Gut mindestens jährlich Zwei Tausend Thaler reinen Ertrag gewährt. Ein unter
Concurrenz der Rittergutsbesitzer selbst auf Kreistagen oder Provinzial-Landtagen
gefertigtes, von Zeit zu Zeit zu revidierendes Verzeichniß der sowohl zu der ersten als zu der
zweiten Kammer wählbaren Rittergüter ist bei der Wahl jederzeit zum Grunde zu legen. Jeder
der vom Könige zu ernennenden zehn Rittergutsbesitzer muß von einem oder mehrern im
Königreiche Sachsen gelegenen Rittergütern einen jährlichen Reinertrag von mindestens Vier
Tausend Thalern beziehen. Der König kann bei der Ernennung auch auf Besitzer
schönburgischer Receß- und Lehnsherrschaften Rücksicht nehmen, doch sind hierbei die
diesen Herrschaften schon zukommenden erblichen Stimmen jedenfalls in Abzug zu bringen.
Minister im activen Dienste und besoldete Hofbeamte können nicht ernannt werden. Die Zahl
von zehn muß stets vorhanden seyn.
§ 66. Diejenigen Mitglieder der ersten Kammer, welche vermöge ihres Amts in selbiger eine
Stelle haben, behalten solche so lange, als sie dieses Amt bekleiden. Die Abgeordneten der
Stifter und der Universität, so wie die Bevollmächtigten der Herrschaft Wildenfels und der
Schönburgischen Receßherrschaften, behalten ihre Stelle, bis sich ein Nachfolger legitimirt.
Die gewählten, so wie die vom Könige ernannten Rittergutsbesitzer bleiben so lange
Mitglieder der Kammer, als sie diejenigen Eigenschaften behalten, vermöge deren letztere
ernannt, und erstere sowohl im Allgemeinen, als in dem betreffenden Bezirke erwählt werden
können. Uiberdieß treten jedoch die gewählten Rittergutsbesitzer aus, wenn sie während ihrer
ständischen Function zu einem Staatsdienste ernannt, oder im Staatsdienste befördert werden,
oder ein besoldetes Hofamt annehmen, können aber dann von Neuem gewählt werden. Beiden
Klassen der Rittergutsbesitzer ist die Resignation gestattet, wegen Krankheit, welche das
Individuum auf längere Zeit zu Geschäften untauglich macht und durch ärztliche Zeugnisse
belegt wird, wegen solcher häuslicher Familien- oder Dienstverhältnisse, welche die
persönliche und beständige Anwesenheit, nach beizubringender genüglicher Bescheinigung,
wesentlich erfordern, ferner wegen 60jährigen Alters, oder wenn sie bereits drei ordentlichen
Landtagen (§ 115) beigewohnt haben.
§ 67. Der Präsident der ersten Kammer wird von dem Könige aus der Mitte der Herrschafts-
oder Rittergutsbesitzer in selbiger, zu jedem Landtage besonders ernannt und darf nicht im
Ausland wohnen. Zu der Function eines Stellvertreters des Präsidenten schlägt die Kammer
durch Wahl drei Personen aus ihrer Mitte vor, von denen der König Eine ernennt. Die Wahl
erfolgt nach absoluter Stimmenmehrheit. Sollte bei dreimaliger Abstimmung eine solche nicht
erlangt werden, so entscheidet bei der letzten Abstimmung die relative Stimmenmehrheit.
Ueber die amtliche Stellung und Geschäftsführung des Präsidenten und seines Stellvertreters,
sowie über die Protocollführung und Leitung der Kanzleigeschäfte, enthält die
Landtagsordnung die nähern Bestimmungen.
§ 68. Die zweite Kammer besteht aus
1. 20 Abgeordneten der Rittergutsbesitzer;
2. 25 Abgeordneten der Städte;
3. 25 Abgeordneten des Bauernstandes, und
4. 5 Vertretern des Handels und Fabrikwesens.
§ 69. Für jedes Mitglied der zweiten Kammer wird ein Stellvertreter gewählt. Dieser tritt in
Fällen zeitiger Abwesenheit oder Behinderung des Mitglieds ein, im Falle des Todes oder
gänzlichen Austritts aber für die Dauer des Landtags nur dann, wenn ein solcher Fall erst
während des Landtags oder so kurz vor demselben Statt gefunden hat, daß zu einer neuen
Wahl keine Zeit übrig ist; außerdem ist eine neue Wahl sowohl eines Abgeordneten, als eines
Stellvertreters vorzunehmen. Uiber die Einberufung des Stellvertreters entscheidet die
Kammer.
§ 70. Die Wahl der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer zu der zweiten Kammer und ihrer
Stellvertreter erfolgt in Kreis- und Oberlausitzer Provinzial-Versammlungen. Wahlberechtigt
sind die Besitzer der durch das Wahlgesetz hierzu befähigten Güter, wählbar aber nur
diejenigen von ihnen, welche ein Gut von mindestens jährlich Sechshundert Thalern reinem
Ertrage besitzen. Die Wahlen der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, der Städte und des
Bauernstandes und der Stellvertreter für selbige erfolgen nach den Vorschriften des
Wahlgesetzes. Uiber die Wahlen der Vertreter des Handels und Fabrikwesens und ihrer
Stellvertreter wird besondere gesetzliche Bestimmung erfolgen.
§ 71. Alle drei Jahre, am Schluss eines ordentlichen Landtags (§ 115), tritt ein Theil der
Abgeordneten zu der zweiten Kammer aus. Um diesen auf einander folgenden Austritt zu
ordnen, wird bei dem ersten Landtage eine Loosung vorgenommen. In Folge deren treten
nach dem ersten Landtages aus: sechs Abgeordnete der Rittergutsbesitzer, acht Abgeordnete
der Städte, acht Abgeordnete des Bauernstandes und ein Vertreter des Handels- und
Fabrikstandes, welche die niedrigsten Nummern gezogen haben; nach dem zweiten Landtage:
sieben Abgeordnete der Städte, acht Abgeordnete des Bauernstandes und zwei Vertreter des
Handels und Fabrikstandes, welche die nächst niedrigen Nummern gezogen haben, und nach
dem dritten Landtage alle übrige Abgeordnete. Die später gewählten Abgeordneten treten
nach dem dritten ordentlichen Landtage seit ihrer Wahl aus. Die Austretenden können sofort
wieder gewählt werden. Die Abgeordneten der zweiten Kammer hören auch früher auf,
Mitglieder derselben zu seyn:
a) wenn sie die Wählbarkeit, entweder im allgemeinen, oder für die Klasse oder den Bezirk,
für welchen sie gewählt werden, verlieren;
b) wenn sie während der Dauer ihrer ständischen Function im Staatsdienste angestellt oder
befördert werden, oder in ein besoldetes Hofamt treten, oder
c) wenn der König die Kammer auflößt.
In den Fällen unter b und c können jedoch selbige wieder gewählt werden.
§ 72. Der Präsident der zweiten Kammer und dessen Stellvertreter werden von dem Könige
ernannt. Zu Anfange jeden Landtags sind von der Kammer vier ihrer Mitglieder durch
geheime Stimmgebung zu wählen und vorzuschlagen, von denen der König eins als
Präsidenten und eins als dessen Stellvertreter bestellt. Die Wahl wird nach den Bestimmungen
§ 67 bewirkt. Die Landtagsordnung bestimmt die Function beider.
§ 73. Zur Theilnahme an einer auf die Ständeversammlung sich beziehenden Wahl wird das
erfüllte fünf und zwanzigste, und zur Wählbarkeit das erfüllte dreißigste Altersjahr erfordert.
§ 74. Weder zur Theilnahme an einer Wahl berechtigt, noch wählbar sind Diejenigen, welche
a) unter Curatel stehen,
b) zu deren Vermögen ein Schuldenwesen entstanden ist, es mag dasselbe zum förmlichen
Concurs gediehen, oder der Weg der außergerichtlichen Erledigung desselben eingeschlagen
worden seyn, so lange nicht ihre Gläubiger, vollständige Befriedigung erhalten zu haben,
erklären.
c) Diejenigen, welche wegen solcher Vergehen, die, nach allgemeinem Begriffe, für
entehrend zu halten sind, vor Gericht gestanden haben, ohne von der Anschuldigung völlig
frei gesprochen zu seyn.
Ob ein Vergehen nach allgemeinem Begriffe für entehrend zu halten sei, entscheidet
hinsichtlich eines Wahlmanns die Wahlversammlung, und hinsichtlich eines Abgeordneten
die Kammer.
§ 75. Wird ein Staatsdiener zum Abgeordneten oder Stellvertreter zu einer der beiden
Kammern gewählt, so hat derselbe solches der vorgesetzten Dienstbehörde anzuzeigen, damit
diese ermesse, ob die Annahme der Wahl genehmigt werden könne, und nöthigen Falls wegen
einstweiliger Versehen des Amts Vorsorge treffe. Die Genehmigung kann ohne erhebliche, in
dem Wesen des Amts beruhende und den Ständen zur Nachricht mitzutheilende Gründe nicht
versagt werden. Gerichtsdirectoren und gutsherrliche Beamte haben die Zustimmung ihrer
Principale, städtische Beamte die Zustimmung der Stadträthe einzuholen; diese kann aber nur
aus denselben Ursachen verweigert werden, wie die landesherrliche Erlaubniß für die
Staatsdiener. Uiber Reclamationen wegen verweigerter Genehmigung entscheidet die
Regierung.
§ 76. Die Sitzordnung in der ersten Kammer richtet sich bei den § 63 unter 1 bis mit 12
benannten Mitgliedern nach der angegebenen Reihenfolge, bei den übrigen aber so wie in der
zweiten Kammer nach dem Loose, welches bei jedesmaliger Eröffnung der Kammer gezogen
wird. Für die hierbei noch nicht anwesenden Mitglieder zieht der Präsident die Loose. Die
Bevollmächtigten und Stellvertreter nehmen die Plätze derer, die sie vertreten, ein.
§ 77. Uiber das Wahlverfahren für beide Kammern und die Wahlberechtigung für die zweite
Kammer enthält das Wahlgesetz die nähere Bestimmung. Dasselbe ist zwar kein integrirender
Theil der Verfassung, kann aber ohne ständische Zustimmung nicht verändert werden.
2. Wirksamkeit der Stände
§ 78. Die Stände sind das gesetzmäßige Organ der Gesammtheit der Staatsbürger und
Unterthanen, und als solches berufen, deren auf der Verfassung beruhende Rechte in dem
durch selbige bestimmten Verhältnisse zu der Staatsregierung geltend zu machen und das
unzertrennliche Wohl des Königs und des Landes mit treuer Anhänglichkeit an die
Grundsätze der Verfassung möglichst zu befördern.
§ 79. Die Angelegenheiten, welche vor die Ständeversammlung gehören, sind in dieser
Verfassungsurkunde bestimmt vorgezeichnet. Dergleichen Angelegenheiten können in
keinem Falle zu Erledigung an ständische Ausschüsse, an die Kreisstände oder an einzelne
ständische Corporationen gebracht werden. Die Ständeversammlung darf aber auch wieder
ihrer Seits sich nur mit diesen ihr zugewiesenen Angelegenheiten oder den vom Könige
besonders an sie gebrachten Gegenständen beschäftigen.
§ 80. Die Stände sind verbunden, die von dem Könige an sie gebrachten Gegenstände vor
allem übrigen in Berathung zu ziehen.
§ 81. In beiden Kammern können die Mitglieder derselben, mit Ausnahme der § 64 in
Rücksicht der Herrschaftsbesitzer bemerkten Fälle, nur persönlich erscheinen und dürfen
Niemanden beauftragen, in ihrem Namen zu stimmen. Die Abgeordneten haben eine
Instruction von ihren Committenten nicht anzunehmen, sondern nur ihrer eigenen
Uiberzeugung zu folgen. Uibrigens bleibt jedem Mitgliede überlassen, die an selbiges für die
Ständeversammlung gelangenden besonderen Anliegen weiter zu befördern und nach
Befinden zu bevorworten.
§ 82. Jedes Mitglied der Ständeversammlung leistet bei seinem ersten Eintritte in die Kammer
folgenden Eid: Ich schwöre zu Gott etc. die Staatsverfassung treu zu bewahren und in der
Ständeversammlung das unzertrennliche Wohl des Königs und Vaterlands nach meinem
besten Wissen und Gewissen bei meinen Anträgen und Abstimmungen allenthalben zu
beobachten. So wahr mit Gott helfe etc. Diesen Eid legen die Präsidenten beider Kammern in
die Hände des Königs und die übrigen Mitglieder der Kammer in der Versammlung an den
Vorstand derselben ab. Wenn ein gewesener Abgeordneter durch neue Wahl als solcher in
eine Kammer eintritt, so leistet er die Pflicht blos mittelst Handschlags unter Verweisung auf
den früher abgelegten Eid.
§ 83. Jedes Mitglied der Stände kann in der Kammer seine Meinung frei äußern. Ein Mitglied,
welches, bei dem Gebrauche dieses Rechts den Gang des Geschäfts unstatthafterweise
aufhält, oder sich die Missbilligung der Kammer erregende Aeußerungen erlaubt, kann von
dem Präsidenten zur Ordnung verwiesen werden. Die Mitglieder der Kammern haben sich bei
ihren Discussionen aller Persönlichkeiten, aller unanständigen und beleidigenden Ausdrücke,
so wie aller Abweichungen von dem vorliegenden Berathungsgegenstande zu enthalten,
widrigen Falls der Präsident sie zur Ordnung zu verweisen und im Weigerungsfalle selbst die
fernere Wortführungen zu untersagen das Recht hat. Sollten sie sich selbst persönliche
Ausfälle gegen den Regenten, die Königliche Familie, die Kammern oder einzelne Mitglieder
der Kammern erlauben und, ohngeachtet der Erinnerung des Präsidenten, hiermit fortfahren,
so ist derselbe berechtigt und verpflichtet, die Sitzung für diesen Tag auf der Stelle zu
schließen und in der folgenden Sitzung über die Bestrafung des betreffenden Mitglieds der
Kammer vorzutragen, welche entscheiden wird, ob dasselbe zum bloßen Widerruf oder zum
zeitlichen oder gänzlichen Ausschluß aus der Kammer zu verurtheilen sei. Wenn die gerügte
Aeußerung ein besonderes Verbrechen oder eine persönliche Beleidigung in sich begreift, so
kann das fragliche Mitglied der Kammer, es mag nun dessen Ausschließung erfolgt seyn oder
nicht, deshalb noch vor seinem ordentlichen Richter belangt werden. Verlangt es der
Ausgeschlossene, so ist die Entscheidung, ob derselbe bei einer künftigen
Ständeversammlung wieder wählbar seyn solle, an den Staatsgerichtshof (§ 142) zu
verweisen, sonst ist derselbe künftig nicht wieder wählbar.
§ 84. Die Stände genießen, sowohl in ihrer Gesammtheit, als einzeln, völlige
Unverletzlichkeit der Person während der Dauer des Landtags. Daher darf insbesondere,
außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That bei einem begangenen peinlichen
Verbrechen und dem Falle des Wechselverfahrens, kein Mitglied der Ständeversammlung
während ihrer Dauer, ohne ausdrückliche Zustimmung der Kammer, der selbige angehört,
verhaftet werden.
§ 85. Gesetzentwürfe können von dem Könige an die Stände, nicht von den Ständen an den
König gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze, so wie auf Abänderung
oder Aufhebung bestehender antragen. Jedem Gesetzentwurfe werden Motiven beigefügt
werden.
§ 86. Kein Gesetz kann ohne Zustimmung der Stände erlassen, abgeändert oder authentisch
interpretirt werden.
§ 87. Der König erlässt und promulgirt die Gesetze mit Bezug auf die erfolgte Zustimmung
der Stände und ertheilt die zu deren Vollziehung und Handhabung erforderlichen, so wie die
aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrechte fließenden Verfügungen und Verordnungen.
§ 88. Der König erlässt auch solche, ihrer Natur nach der ständischen Zustimmung
bedürfende, aber durch das Staatswohl dringend gebotene Verordnungen, deren
vorübergehender Zweck durch Verzögerung vereitelt werden würde, mit Ausnahme aller und
jeder Abänderungen in der Verfassung und dem Wahlgesetze. Dafür, dass das Staatswohl die
Eile geboten, sind sämmtliche Minister verantwortlich. Sie haben deshalb insgesammt die
Verordnungen zu contrasigniren; auch müssen letztere den Ständen bei der nächsten
Zusammenkunft zur Genehmigung vorgelegt werden.
§ 89. In Ausführung der vom Bundestage gefassten Beschlüsse kann die Regierung durch die
ermangelnde Zustimmung der Stände nicht gehindert werden. Sie treten sofort mit der vom
Könige verfügten Publication in Kraft. Es müssen daher auch die zur Ausführung derselben
erweislich erforderlichen Mittel aufgebracht werden, wobei jedoch die Mitwirkung der Stände
in Ansehung der Art und Weise der Aufbringung dieser Mittel, insoweit dieselbe
verfassungsmäßig begründet ist, nicht ausgeschlossen wird.
§ 90. Der König kann einen an die Kammern gerichteten Gesetzvorschlag noch während der
ständischen Discussion darüber zurücknehmen. Dasselbe kann geschehen, wenn ein
Gesetzvorschlag zwar von der Mehrheit der Kammern angenommen wird, dabei aber die §
129 erwähnte Absonderung der Abgeordneten eines Standes eingetreten ist.
§ 91. Wenn die Kammern über die Annahme eines Gesetzvorschlages getheilter Meinung
sind, so haben sie vor der Abgabe ihrer Erklärung das § 131 vorgeschriebenen
Vereinigungsmittel zu versuchen.
§ 92. Bleiben auch dann noch die Curiatstimmen beider Kammern getheilt, so ist zu der
Verwerfung des Gesetzvorschlags erforderlich, daß in einer der beiden Kammern wenigstens
zwei Drittheile der Anwesenden für die Verwerfung gestimmt haben.
§ 93. Die ständische Erklärung, wodurch entweder ein Gesetzvorschlag ganz abgelehnt wird,
oder Veränderungen dabei beantragt werden, muß die Angabe der Beweggründe enthalten.
§ 94. Wird ein von den Ständen mit Abänderungen angenommener Gesetzentwurf vom
Könige nicht genehmigt, so kann selbiger entweder ganz zurückgenommen, oder vorher noch
einmal während desselben Landtags, mit Widerlegungsgründen, in der vorigen Maße, oder
auch mit von der Regierung selbst vorzuschlagenden Abänderungen, an die Stände gebracht
werden. In beiden letztern Fällen steht der Regierung frei, die unbedingte Erklärung über
Annahme oder Ablehnung desselben zu verlangen.
§ 95. Ein von den Ständen ganz abgelehnter Gesetzentwurf kann zwar bei einem folgenden
Landtage anderweit unverändert an sie gebracht werden, während desselben Landtags aber
nur in veränderter Maße.
§ 96. Ohne Zustimmung der Stände können die bestehenden directen und in directen
Landesabgaben nicht verändert, auch dürfen dergleichen Abgaben ohne ihre Bewilligung, mit
Ausnahme des § 103 bemerkten Falls, nicht ausgeschrieben und erhoben werden.
§ 97. Die Stände haben die Verpflichtung, für Aufbringung des ordentlichen und
außerordentlichen Staatsbedarfs durch Aussetzung der hierzu erforderlichen Deckungsmittel
zu sorgen. Sie haben dagegen das Befugniß, hierbei die Nothwendigkeit, Zweckmäßigkeit
und Höhe der Ansätze zu prüfen, und deshalb Erinnerungen zu machen, auch sich sowohl
wegen der Annahme der angesetzten Summen als über die Art der Deckung, die Grundsätze
und Verhältnisse, nach welchen die Abgaben und Leistungen auf Personen und Gegenstände
zu legen und zu vertheilen sind, so wie über die Dauer und Erhebungsweise zu entschließen.
§ 98. Bei jedem ordentlichen Landtage (§ 115) wird den Ständen eine genaue Berechnung der
in den vorhergegangenen drei Jahren stattgefundenen Einnahme und Ausgabe und ein
Voranschlag des Bedarf für die nächstfolgenden drei Jahre, nebst den Vorschlägen zu dessen
Deckung, möglichst bald nach Eröffnung des Landtags mitgetheilt.
§ 99. Um beides beurtheilen zu können, werden ihnen sowohl von der obersten Staatsbehörde,
als auch, auf ihren Antrag von den betreffenden Departementschefs die nöthigen
Erläuterungen gegeben, so wie Rechnungen und Belege mitgetheilt werden. Ansätze für
geheime Ausgaben können dabei nur insoweit vorkommen, als eine schriftliche, von
mindestens drei verantwortlichen Ministerialvorständen contrasignirte Versicherung des
Königs bezeugt, daß die Verwendung zum wahren Besten des Landes stattgefunden habe oder
stattfinden werde.
§ 100. Nach pflichtmäßiger genauen Prüfung der gedachten Berechnungen, Uibersichten und
Unterlagen, haben die Stände über den darnach aufzubringenden Bedarf ihre Erklärung an den
König gelangen zu lassen. Insofern sie hierbei auf Verminderung der verlangten Summen
antragen, muß dieses unter bestimmter und ausführlicher Nachweisung der Gründe dazu,
sowie der Gegenstände, bei welchen, und der Art und Weise, wie ohne Hintansetzung des
Staatszwecks Ersparnisse gemacht werden können, geschehen.
§ 101. Sind die beiden Kammern bei der Abstimmung über die Bewilligung getheilt, so tritt
zum Zwecke einer Vereinigung das § 131 vorgeschriebene Verfahren ein.
§ 102. Die ständische Bewilligung (von Abgaben) darf nicht an Bedingungen geknüpft
werden, welche nicht das Wesen oder die Verwendung (derselben) unmittelbar betreffen.
§ 103. Die von den Ständen nach § 100 an die Regierung gelangenden Anträge und die
Gründe, auf welchen sie beruhen, werden auf das reiflichste erwogen, auch soweit es nur
immer mit dem Staatswohle vereinbar ist, jederzeit berücksichtigt werden. In dem Falle aber,
daß sie unannehmbar befunden würden, die Stände hingegen, auf deshalb ihnen geschehene
Eröffnung und anderweite Berathung, die Bewilligung in der verlangten Maße wiederholt
ablehnen wollten, lässt der König die Auflagen für den Staatsbedarf, insofern sie nicht
ausdrücklich nur für einen vorübergehenden, bereits erreichten Zweck bestimmt sind, nach
Ablauf der Bewilligungszeit, durch die oberste Staatsbehörde, mittelst einer in die
Gesetzsammlung aufzunehmenden Verordnung, noch auf ein Jahr ausschreiben und
forterheben. In dem zu erlassenden Ausschreiben wird der besondern Natur desselben gedacht
und Beziehungen auf diesen § der Verfassungsurkunde genommen. Ein solches verlängertes
Ausschreiben kann jedoch nur auf ein Jahr erlassen werden; weshalb der König längstens
sechs Monate vor Ablauf dieser Frist eine außerordentliche Ständeversammlung einberufen
wird. Die Bewilligung wird übrigens nur dann als abgelehnt betrachtet, wenn in einer der
beiden Kammern mindestens zwei Drittheile der Anwesenden für die Ablehnung gestimmt
haben.
§ 104. Mit Ausnahme des § 103 erwähnten Falls, soll in den Ausschreiben, welche
Landesabgaben betreffen, die ständische Bewilligung besonders erwähnt werden, ohne
welche weder die Einnehmer zur Einforderung berechtigt, noch die Unterthanen zur
Entrichtung verbunden sind.
§ 105. Ohne Zustimmung der Stände kann kein Anlehn gültig gemacht werden. Wenn in
außerordentlichen, dringenden und unvorhergesehenen Fällen schleunige finanzielle
Maßregeln erfordert werden, zu welchen an sich die Zustimmung der Stände nothwendig ist,
so ist eine außerordentliche Ständeversammlung einzuberufen. Sollten jedoch äußere
Verhältnisse eine solche Einberufung durchaus unmöglich machen, so darf der König, unter
Verantwortlichkeit der ihn hierbei berathenden Vorstände der Ministerial-Departements, das
zur Deckung des außerordentlichen Bedürfnisses unumgänglich Nöthige provisorisch
verfügen, auch erforderlichen Falls Ausnahmsweise ein Anlehn aufnehmen; es sind aber die
getroffenen Maßregeln, sobald als irgend möglich, der Ständeversammlung, und spätestens
bei dem nächsten ordentlichen Landtage vorzulegen, um deren verfassungsmäßige
Genehmigung zu bewirken; auch ist selbiger über die Verwendung der erforderlich
gewesenen Summen Nachweisung zu geben.
§ 106. Um die Regierung für unvorhergesehene Ereignisse mit den erforderlichen
außerordentlichen Hülfsmitteln zu versehen, ist ein Reservefond zu bilden, welcher in das
Budget aufgenommen und jedesmal bewilligt wird.
§ 107. Zu Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden besteht eine besondere Staatsschulden-
Casse, welche unter die Verwaltung der Stände gestellt ist. Diese Verwaltung wird durch
einen ständischen Ausschuß mit Hülfe der von ihm ernannten und vom Könige bestätigten
Beamten geführt. Er hat auch bei erfolgender Auflösung der zweiten Kammer seine Geschäfte
bis zur Eröffnung der neuen Ständeversammlung und erfolgter Wahl eines neuen Ausschusses
fortzusetzen. Der Regierung steht vermöge des Oberaufsichtsrechts frei, von dem Zustande
der Casse zu jeder Zeit Einsicht zu nehmen. Die Jahresrechnungen über dieselbe werden von
der obersten Rechnungsbehörde geprüft, und bei jedem ordentlichen Landtage (§ 115) den
Ständen zur Erinnerung und Justification vorgelegt. Nach erfolgter Justification wird das
Resultat der Rechnungen im Namen der Stände durch den Druck bekannt gemacht.
§ 108. Die Stände sind verpflichtet und berechtigt, über die Erhaltung des Staatsguts und des
Königlichen Hausfideicommisses in der § 18 und 20 angegebenen Maße zu wachen.
§ 109. Die Stände haben das Recht, in Bezug auf alle zu ihrem Wirkungskreise gehörige
Gegenstände dem Könige ihre gemeinsamen Wünsche und Anträge in der geeigneten Form
vorzulegen. Hierzu gehören auch Anträge auf Abstellung wahrgenommener Gebrechen in der
Landesverwaltung oder Rechtspflege. Ebenso ist jedes einzelne Mitglied der Stände befugt,
seine auf dergleichen Gegenstände sich beziehenden Wünsche und Anträge in seiner Kammer
vorzubringen. Diese entscheidet, ob und auf welche Weise selbige in nähere Erwägung
gezogen werden sollen. Nimmt sie sich in Folge der geschehenen Erörterung der Sache an, so
hat sie den Beitritt der anderen Kammer zu veranlassen, indem selbige nur in
Uibereinstimmung beider Kammern an den König gebracht werden kann.
§ 110. Beschwerden gegen die oberste Staatsbehörde und einzelne Vorstände von Ministerial-
Departements (§ 41) über die Anwendung der Gesetze in der Landesverwaltung und
Rechtspflege kann, in sofern sich deshalb nicht beide Kammern zu vereinigen vermögen,
auch jede Kammer allein anbringen. Zu Begründung solcher Beschwerden ist (§ 43) die
Contrasignatur aller Verordnungen und andern Ausfertigungen in Regierungsangelegenheiten,
welche der König eigenhändig unterzeichnet, angeordnet. Unerlaubte Handlungen oder grobe
Vernachlässigungen der den Ministerial-Departements untergeordneten Staatsdiener können
nur dann Gegenstand ständischer Beschwerde werden, wenn der dadurch unmittelbar
Verletzte bei dem betreffenden Departement vergebens Klage geführt oder sonst die
gesetzlichen Vorschritte gethan hat.
§ 111. Die Stände können schriftliche Beschwerden der Unterthanen, nicht aber Deputationen
von Körperschaften annehmen. Findet sich, daß eine solche Beschwerde noch nicht auf dem
verfassungsmäßigen Wege bis zu dem betreffenden Ministerial-Departement gelangt und
daselbst ohne Abhülfe geblieben sei, so bleibt sie unberücksichtigt. Im entgegengesetzten
Falle, und wenn den Ständen die Beschwerde begründet erscheint, bleibt ihrem Ermessen
überlassen, selbige entweder an das betreffende Departement, oder die oberste Staatsbehörde
abzugeben, oder zu ihrer eigenen Sache zu machen und, nach vorgängiger Discussion in
beiden Kammern, dem Könige zur geeigneten Berücksichtigung zu empfehlen. Die erfolgte
Abstellung solcher Beschwerden, oder das Ergebniß der Erörterung, wird ihnen eröffnet
werden.
§ 112. Alle ständigen Beschlüsse, welche auf eine Angelegenheit des Landes Bezug haben,
bedürfen, um wirksam zu werden, der ausdrücklichen Sanction des Königs.
§ 113. Auf jeden von den Ständen an den König gebrachten Antrag wird ihnen eine
Entschließung, und zwar im Ablehnungsfalle unter Angabe der Gründe, womöglich noch
während der Ständeversammlung ertheilt werden. Dieß gilt insbesondere auch, wenn der
Antrag auf Erlassung, Aufhebung oder Abänderung eines Gesetzes gerichtet war.
§ 114. Die Ständeversammlung darf mit Königlicher Genehmigung zur Vorbereitung
bestimmt anzuzeigender Berathungsgegenstände und zu Ausführung von Beschlüssen in
ständischen Angelegenheiten, welche die Königliche Sanction erhalten haben, Deputationen
ernennen, welche zu diesem Zwecke in der Zwischenzeit von einem Landtage zum andern
zusammentreten und thätig seyn können.
3. Landtag und Geschäftsbetrieb bei selbigem
§ 115. Der König wird längstens ale drei Jahre einen ordentlichen Landtag einberufen, und
außerordentliche, o oft es Gesetzgebungs- oder andere dringende Angelegenheiten erfordern.
Eine außerordentliche Zusammenkunft der Stände ist jedesmal nöthig, wenn ein
Regierungswechsel eintritt; die Einberufung erfolgt dann binnen der nächsten vier Monate.
Der Ort des Königreichs, wo der Landtag gehalten werden soll, hängt von der jedesmaligen
Bestimmung des Königs ab. Zu jedem Landtage werden die Stände mittelst einer von der
obersten Staatsbehörde ausgehenden Bekanntmachung in der Gesetzsammlung und durch an
jeden zu erlassende Missiven einberufen.
§ 116. Der König ordnet den förmlichen Schluß der Ständeversammlung an, kann auch solche
vertagen und die zweite Kammer auflösen, wodurch zugleich die erste für vertagt erklärt wird.
Die Vertagung darf nicht über sechs Monate dauern. Im Falle der Auflösung der zweiten
Kammer soll die Wahl neuer Abgeordneten zu selbiger und die Einberufung der Stände
ebenfalls innerhalb der nächsten sechs Monate erfolgen.
§ 117. Der König eröffnet und entläßt die Ständeversammlung entweder in eigener Person,
oder durch einen dazu bevollmächtigten Commissar.
§ 118. Eigenmächtig dürfen die Kammern weder sich versammeln, noch nach dem Schlusse
oder der Vertagung des Landtags, oder Auflösung der zweiten Kammer versammelt bleiben
und berathschlagen.
§ 119. Die definitiven Resultate des Landtags werden in eine förmliche Urkunde, den
Landtagsabschied, zusammengefasst, welche die Königliche Erklärung über die
Verhandlungen mit den Ständen enthält, von dem Könige eigenhändig vollzogen, den
Ständen bei ihrer Entlassung urschriftlich ausgehändigt und in die Gesetzsammlung
aufgenommen wird.
§ 120. Die Stände, mit Ausnahme derjenigen Mitglieder der ersten Kammer, welche Kraft
erblichen Rechts, oder als Abgeordnete der Capitel und der Universität, auf Landtagen
erscheinen, bekommen, insofern sie nicht an dem Orte, wo der Landtag gehalten wird,
beständig wohnen, als Entschädigung für den erforderlichen Aufwand, Tage- und Reisegelder
in der in der Landtagsordnung bestimmten Maße.
§ 121. Jede Kammer verhandelt getrennt von der andern und hat bei den an den König zu
bringenden Erklärungen eine Curiatstimme.
§ 122. Von den Königlichen Mittheilungen an die Kammern ergehen diejenigen, welche auf
Abgaben- und Bewilligungs-Gegenstände Bezug haben, zuerst an die zweite Kammer. Bei
andern Gegenständen hängt es von dem Ermessen des Königs ab, an welche der beiden
Kammern solche zuerst gelangen sollen.
§ 123. Alle Königliche Anträge müssen, ehe sie bei einer Kammer zur Discussion und
Abstimmung gelangen können, von einer besondern, aus dem Mittel der Kammer bestellten
Deputation erörtert werden, welche darüber an die erstere Vortrag erstattet.
§ 124. Dergleichen Deputationen werden auch für andere Berathungs-Gegenstände ernannt.
§ 125. Diesen Deputationen (§123, 124) werden, so oft die Deputationen selbst darauf
antragen, durch Königliche Commissarien die nöthigen Erläuterungen gegeben werden. Es
muß jedoch jede Deputation, vor Abgabe ihres Gutachtens an die betreffende Kammer, die ihr
von dem Königlichen Commissar in ihrer Sitzung mündlich mitzutheilenden Bemerkungen
hören, auch dieselben in Erwägung ziehen und, nach Befinden, berücksichtigen.
§ 126. Jedem Mitgliede der Kammer und Königlichen Commissar steht frei, der Deputation
seine Ansicht über den zu berathenden Gegenstand schriftlich vorzulegen.
§ 127. Berathungen der Kammern können nur bei der Anwesenheit von mindestens der Hälfte
der durch die Verfassung bestimmten Zahl der Mitglieder Statt finden.
§ 128. Beschlüsse können von der ersten Kammer nur, wenn mindestens die Hälfte, und von
der zweiten nur, wenn mindestens zwei Drittheile der verfassungsmäßigen Zahl der
Mitglieder in der Sitzung anwesend sind, gefaßt werden. Bei der Abstimmung hat jedes
Mitglied, auch der Präsident, eine Stimme. Die Beschlüsse werden, außer § 92, 103 und 152
bestimmten Fällen, nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt. Wenn Gleichheit der Stimmen
eintritt, so ist die Sache in einer folgenden Sitzung wieder zum Vortrage zu bringen. Würde
auch in dieser Sitzung eine Stimmenmehrheit nicht erlangt, so giebt die Stimme des
Präsidenten den Ausschlag. Ist der Gegenstand der Berathung ein solcher, wo blos ein
Gutachten der Stände zu eröffnen ist, so kann letzterm auf Verlangen jede abweichende
Meinung beigefügt werden.
§ 129. Die Abstimmungen geschehen von den einzelnen Mitgliedern, ohne Rücksicht auf die
Verschiedenheit der Stände. Es ist jedoch den Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, der Städte
und des Bauernstandes in der zweiten Kammer erlaubt, wenn wenigstens drei Viertheile der
Anwesenden ihren Stand in seinen besondern Rechten oder Interessen durch den Beschluß der
Mehrheit für beschwert achten, eine Separatstimme abzugeben. Eine solche Separatstimme
muß in die Erklärung der Ständeversammlung, neben dem Beschlusse der Mehrheit,
aufgenommen und mit an die Regierung gebracht werden.
§ 130. Die von einer Kammer an die andere gebrachten Anträge, Gesetzentwürfe und
Erklärungen können ersterer mit Verbesserungsvorschlägen, welche durch eine Deputation
erörtert werden müssen, zurückgegeben werden.
§ 131. Können sich beide Kammern infolge der ersten Berathung über den betreffenden
Gegenstand nicht sogleich vereinigen, so haben sie aus ihrem beiderseitigen Mittel eine
gemeinschaftliche Deputation zu ernennen, welche unter den beiden Vorständen der
Kammern über die Vereinigung der getheilten Meinungen zu berathschlagen hat und deren
Mitglieder hierauf das Resultat ihrer Verhandlung den Kammern zu anderweiter Berathung
vorzutragen haben. Dafern sich dieselben auch dann nicht vereinigen, so treten bei
Gesetzgebungs- und Bewilligungs-Gegenständen die § 128 enthaltenen Vorschriften ein. Bei
blosen Berathungs-Gegenständen aber wird alsdann von jeder Kammer eine durch ihren
Vorstand im Namen derselben unterzeichnete besondere Schrift bei der obersten
Staatsbehörde eingereicht.
§ 132. Die Anträge und Beschlüsse, über welche beide Kammern sich vereinigt haben,
werden in eine gemeinschaftliche ständische Schrift zusammengefaßt, welche, von den
Vorständen beider Kammern im Namen der Ständeversammlung unterzeichnet, bei der
obersten Staatsbehörde eingereicht wird.
§ 133. Nur die oberste Staatsbehörde ist zur Communication zwischen der Regierung und den
Ständen bestimmt; auch die einzelnen Kammern stehen nur mit dieser Staatsbehörde in
unmittelbarer Geschäftsbeziehung.
§ 134. Die Mitglieder des Ministerii und die Königlichen Commissarien haben den Zutritt zu
den Sitzungen der Kammern, können an Discussionen Antheil nehmen und haben das Recht,
zu verlangen, nach Schlusse derselben nochmals gehört zu werden, treten aber, wenn, soviel
die Commissarien betrifft, diese nicht selbst Mitglieder der Kammer sind, bei der
Abstimmung ab. Nach ihrem Abtritte darf die Discussion nicht von Neuem aufgenommen
werden.
§ 135. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Sie werden geheim auf den Antrag der
Königlichen Commissarien bei Eröffnungen, für welche sie die Geheimhaltung nöthig achten,
und auf das Begehren von drei Mitgliedern, denen nach dem Abtritte der Zuhörer wenigstens
ein Viertheil der Mitglieder der Kammer über die Nothwendigkeit der geheimen Berathung
beitreten muß.
§ 136. Die über die Verhandlungen in den Kammern aufgenommenen Protocolle werden
durch den Druck bekannt gemacht, wenn nicht die Geheimhaltung in einzelnen Fällen durch
die Kammer beschlossen wird. Um die Redaction in angemessener Weise zu besorgen, ist
eine besondere verantwortliche Deputation zu ernennen.
§ 137. Die nähern Bestimmungen über den Landtag und den Geschäftsbetrieb bei selbigem
enthält die Landtagsordnung.
VIII. Gewähr der Verfassung
§ 138. Der Thronfolger hat bei dem Antritte der Regierung in Gegenwart des Gesammt-
Ministerii und der beiden Präsidenten der letzten Ständeversammlung bei seinem Fürstlichen
Worte zu versprechen, daß er die Verfassung des Landes, wie sie zwischen dem Könige und
den Ständen verabschiedet worden ist, in allen ihren Bestimmungen während seiner
Regierung beobachten, aufrecht erhalten und beschützen wolle. Ein Gleiches ist auch von
dem Regierungsverweser (§ 9) zu bewirken. Die hierüber zu ertheilende Urkunde, wovon ein
Abdruck in die Gesetzsammlung aufgenommen wird, ist den beiden Präsidenten der
Kammern auszuhändigen, welche sie der nächsten Ständeversammlung zu übergeben und
immittelst im ständischen Archive beizulegen haben.
§ 139. Der Unterthanen-Eid und der Eid der Civil-Staatsdiener und der Geistlichen aller
christlichen Confessionen ist, nächst dem Versprechen der Treue und des Gehorsams gegen
den König und die Gesetze des Landes, auch auf die Beobachtung der Landesverfassung zu
richten.
§ 140. Die Stände haben das Recht, Beschwerden über die durch die Königlichen Ministerien
oder andere Staatsbehörden geschehene Verletzung der Verfassung in einem
gemeinschaftlichen Antrage an den König zu bringen. Dieser wird den Beschwerden sofort
abhelfen, oder, wenn ein Zweifel dabei obwaltet, selbige nach der Natur des Gegenstandes
durch die oberste Staatsbehörde oder die oberste Justizstelle erörtern lassen. Wird die
Erörterung der obersten Staatsbehörde übertragen, so hat diese ihr Gutachten dem Könige zur
Entscheidung vorzulegen; wird selbige aber an die oberste Justizstelle verwiesen, so hat
letztere zugleich die Sache zu entscheiden. Der Erfolg wird in beiden Fällen den Ständen
eröffnet.
§ 141. Die Stände haben insbesondere auch das Recht, die Vorstände der Ministerien, welche
sich einer Verletzung der Verfassung schuldig machen, förmlich anzuklagen.
Finden sie sich durch ihre Pflichten aufgefordert, eine solche Anklage zu erheben, so sind die
Anklagepunkte bestimmt zu bezeichnen, und in jeder Kammer durch eine besondere
Deputation zu prüfen. Vereinigen sich hierauf beide Kammern in ihren Beschlüssen über die
Anklage, so bringen sie dieselbe mit ihren Belegen an den nachstehend § 142 bezeichneten
Staatsgerichtshof.
§ 142. Zum gerichtlichen Schutze der Verfassung wird ein Staatsgerichtshof begründet. Diese
Behörde erkennt über Handlungen der Vorstände der Ministerien, welche auf den Umsturz
der Verfassung gerichtet sind, oder die Verletzung einzelner Punkte der Verfassung betreffen.
Uiberdies kann auch noch in den § 83 und 153 bemerkten Fällen an selbige der Recurs
genommen werden.
§ 143. Der Staatsgerichtshof besteht aus einem Präsidenten, welcher von dem Könige aus den
ersten Vorständen der höheren Gerichte ernannt wird, und aus zwölf Richtern, wovon der
König sechs aus den ersten Mitgliedern jener Gerichte, und jede Kammer drei, nebst zwei
Stellvertretern außerhalb der Mitte der Ständeversammlung, wählt. Unter den von den
Ständen gewählten Mitgliedern müssen mindestens zwei Rechtsgelehrte seyn, welche auch
mit Vorbehalt der Einwilligung des Königs, aus den Staatsdienern gewählt werden können.
Die Stelle des Präsidenten vertritt im Verhinderungsfalle der erste der vom Könige bestellten
Richter. Die Ernennung der Mitglieder erfolgt für die Periode von einem ordentlichen
Landtage zum andern, und zwar jederzeit am Schlusse desselben. Im Falle einer Vertagung
des Landtags oder der Auflösung der zweiten Kammer, bleibt der am Schlusse des vorigen
ordentlichen Landtags bestellte Gerichtshof bis wieder zum Schlusse der nächsten
Ständeversammlung fortbestehen.
§ 144. Der Präsident und sämmtliche Richter werden für diesen ihren Beruf besonders
verpflichtet und im Bezug auf selbigen ihres Unterthanen- und sonstigen Diensteides
entbunden. Weder der König noch die Stände können die Ernennung der Mitglieder während
der Zeit, auf welche sie ernannt sind, zurücknehmen. Nimmt jedoch ein von den Ständen
gewählter Richter ein Staatsamt an, so hört er dadurch auf, Mitglied des Staatsgerichtshofs zu
seyn, kann aber von der betreffenden Kammer sofort wieder gewählt werden.
§ 145. Das Gericht versammelt sich auf Einberufung durch den Präsidenten, welche von
diesem sogleich geschehen muß, wenn er dazu einen von dem Vorstande des Justiz-Ministerii
contrasignirten Befehl des Königs, oder eine von den Präsidenten beider Kammern
unterzeichnete Aufforderung, mit Angabe des Gegenstandes, erhält. Die Function des
Gerichts hört auf, wenn der Proceß geendigt ist. Der Präsident hat für die Vollziehung der
Beschlüsse zu sorgen und im Falle eines Anstands das Gericht wieder zu versammeln.
§ 146. Der Präsident bestellt zu Leitung der vom Staatsgerichtshofe zu führenden
Untersuchung ein vom Könige ernanntes und ein rechtskundiges, von den Ständen gewähltes
Mitglied. Zu jeder hauptsächlichen Entscheidung werden von sämmtlichen Mitgliedern, mit
Einschlusse des Präsidenten, nach Stimmenmehrheit zwei Referenten gewählt. Ist der erste
Referent ein vom Könige ernanntes Mitglied, so muß der Correferent ein von den Ständen
gewähltes seyn, und umgekehrt. Im Falle der Stimmengleichheit bei dieser Wahl entscheidet
die Stimme des Präsidenten.
§ 147. Bei jedem Beschlusse muß eine gleiche Anzahl vom Könige bestellter und von den
Ständen gewählter Mitglieder anwesend seyn. Sollte durch Zufall eine Ungleichheit der Zahl
eintreten, welche nicht sogleich durch anderweite Ernennung oder durch Eintritt eines
Stellvertreters gehoben werden kann, so tritt das letzte Mitglied von der überzählenden Seite
aus; doch darf die Zahl der Richter nie unter zehn seyn. Dem Präsidenten steht außer den §
146 und 153 bemerkten Fällen keine Stimme zu. Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet
die für den Angeklagten günstigere Meinung. Die Acten des Staatsgerichtshofs werden durch
den Druck bekannt gemacht.
§ 148. Das Strafbefugniß des Staatsgerichtshofs erstreckt sich nur auf ausdrückliche
Mißbilligung des Verfahrens oder Entfernung vom Amte. Wenn selbiger die in seiner
Competenz liegende Strafe erkannt hat, ohne eine weitere ausdrücklich auszuschließen, so
bleibt nicht nur dem ordentlichen Richter vorbehalten, gegen den Verurtheilten ein weiteres
Verfahren von Amts wegen eintreten zu lassen, sondern der Staatsgerichtshof hat auch diesem
Richter von dem Ausgange der verhandelten Anklage Nachricht zu geben.
§ 149. Gegen den Ausspruch des Staatsgerichtshofs findet keine Appellation, wohl aber die
Berufung auf ein anderweites Erkenntniß Statt. In diesem Falle sind zwei andere Mitglieder
als Referent und Correferent dergestalt zu wählen, daß, wenn bei dem ersten Erkenntnisse der
Referent ein vom Könige bestelltes Mitglied war, der nunmehrige Referent ein von den
Ständen gewähltes seyn muß, und umgekehrt. Auch ist zu einem solchen anderweiten
Verspruche der Gerichtshof noch um zwei Mitglieder zu vermehren und daher Königlicher
Seits noch ein Mitglied eines höhern Gerichts außerordentlich zuzuordnen, ständischer Seits
aber einer der nach § 143 vorher bestimmten Stellvertreter einzuberufen.
§ 150. Der König wird nicht nur die Untersuchung niemals hemmen, sondern auch das ihm
zustehende Begnadigungsrecht nie dahin ausdehnen, daß ein von dem Staatsgerichtshofe in
die Entfernung vom Amte verurtheilter Staatsdiener in seiner bisherigen Stelle gelassen, oder
in einem andern Justiz- oder Staatsverwaltungs-Amte angestellt werde, dafern nicht in
Rücksicht der Wiederanstellung das Erkenntniß einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten
des Verurtheilten enthält.
§ 151. Die Resignation des Angeklagten hat auf das gegen ihn eingeleitete Verfahren und den
Urtheilsspruch keinen Einfluß.
§ 152. Anträge auf Abänderungen oder Erläuterungen in den Bestimmungen der
Verfassungsurkunde, oder auf Zusätze zu derselben, können sowohl von dem Könige an die
Stände, als von den Ständen an den König gebracht werden. Zu einem gültigen Beschlusse in
dieser Angelegenheit wird die Uibereinstimmung beider Kammern und in jeder Kammer die
Anwesenheit von drei Viertheilen der verfassungsmäßigen Zahl der Mitglieder, sowie eine
Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen der Anwesenden erfordert; auch kann von den
Ständen ein solcher Antrag nicht eher an den König gebracht werden, als bis in zwei
ordentlichen, unmittelbar auf einander folgenden Ständeversammlungen deshalb
übereinstimmende Beschlüsse gefasst worden sind. Bei dem ersten nach Publication der
Verfassungsurkunde zu haltenden Landtage kann aber eine Abänderung oder Erläuterung der
Verfassung, oder ein Zusatz zu selbiger, in der Ständeversammlung weder beantragt noch
beschlossen werden.
§ 153. Wenn über die Auslegung einzelner Punkte der Verfassungsurkunde Zweifel entsteht,
und derselbe nicht durch Uibereinkunft zwischen der Regierung und den Ständen beseitigt
werden kann, so sollen die für und wider streitenden Gründe sowohl von Seiten der
Regierung, als der Stände, dem Staatsgerichtshofe zur Entscheidung vorgelegt werden. Zu
diesem Behufe ist von jedem Theile eine Deduction dem Gerichtshofe zu übergeben, solche
gegenseitig mitzutheilen, und in einer zweiten Schrift zu beantworten, so daß jedem Theile
zwei Schriften freistehen. Bei der Entscheidung giebt im Falle der Stimmengleichheit die
Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Der hierauf ertheilte Ausspruch soll als authentische
Interpretation angesehen und befolgt werden.
§ 154. Alle Gesetze, Verordnungen und Observanzen, welche mit einer ausdrücklichen
Bestimmung der gegenwärtigen Verfassungsurkunde im Widerspruche stehen, sind insoweit
ungültig. Indem Wir die vorstehenden Bestimmungen für das Staatsgrundgesetz Unseres
Königreichs hiermit erklären, ertheilen Wir zugleich bei Unserm Fürstlichen Worte die
Versicherung, dass Wir nicht nur die darin enthaltenen Zusagen selbst genau erfüllen, sondern
auch diese Verfassung gegen alle Eingriffe und Verletzungen kräftigst schützen wollen. Zu
dessen Urkund haben Wir gegenwärtiges Staatsgrundgesetz eigenhändig unterschrieben und
mit Unserm Königlichen Siegel versehen lassen.
Dresden, am 4. September 1831.
Anton Friedrich August, H.z.S.
Königreich Sachsen
Das Königreich Sachsen ist ein weiterer Bundesstaat im Deutschen Reich. Hinsichtlich des Flächeninhalts ist es der fünfte und bezüglich der Bevölkerung der dritt größte Staat im Deutschen Reich.
Die schöne Haupt- und Residenzstadt Dresden ist eine Perle im Königreich Sachsen.
Die Landesfarben Sachsens sind seit Weiß und Grün und daß opulent königliche Wappen beinhaltet mit dem Spruch: „Providentiae memor“=„ Ich erinnere mich an die Vorsehung“,
einen wahren Wahlspruch.
Das Königreich Sachsen befindet im südlichen Mitteldeutschland und wird von sechs deutschen Bundesstaaten und im Süden und Südosten von Böhmen begrenzt.
Das Königreich Sachsen ist eine konstitutionelle Monarchie. Die Staatsverfassung beruht auf der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831, welche in den folgenden Jahren modifiziert wurde.
Für das ganze Land besteht eine in zwei Kammern geteilte Ständeversammlung. Jeder Kammer steht die Wahl ihres Präsidenten zu.
Das Königreich Sachsen besitzt 4 Stimmen im Bundesrat und entsendet 23 Abgeordnete in den Deutschen Reichstag, damit ist auch Sachsen gewichtig an der deutschen Gesetzgebung beteiligt.
Das Königreich Sachsen ist eins der Hauptindustrieländer der Erde, hat einen bedeutenden Bergbau und zugleich eine hoch entwickelte Landwirtschaft.
Herzlich willkommen Königreich Sachsen und wie Bismarck einst sagte: „Es war schwere Arbeit, uns zusammen zu bringen; schwerer aber noch dürfte es sein, uns zu trennen.“
Wir sind froh euch in unserem Bunde zu haben.
Glück auf du Land der Sachsen!